Autoimmunerkrankungen sind die Folge von Fehlreaktionen des Immunsystems, die sich in der Zerstörung körpereigenen Gewebes und meist schubweise auftretenden, nicht ansteckenden und chronischen Entzündungsreaktionen äußern. Das Immunsystem reagiert im Normalfall auf Krankheitserreger und Schadstoffe, indem es diese als körperfremd erkennt und eliminiert. An diesen Immunprozessen sind die sogenannten T-Lymphozyten, eine Art der weißen Blutkörperchen maßgeblich beteiligt. Diese werden schon im frühen Lebensalter eines Menschen auf ihre zukünftige Aufgabe hin trainiert. In der Thymusdrüse werden sie darauf überprüft, ob sie die Fähigkeit besitzen, körperfremde von körpereigenen Zellen zu unterscheiden. Diejenigen, die diese Aufgabe nicht erfüllen können, werden in der Regel vom Organismus vorzeitig zerstört. Dieser Prozess wird als Immuntoleranz bezeichnet und verhindert, dass sich Abwehrzellen im Laufe des Lebens gegen körpereigenes Gewebe richten und dieses fälschlicherweise zerstören.
Bei Menschen, die unter einer Autoimmunerkrankung leiden, ist die Immuntoleranz gestört. Wenn die T-Lymphozyten gesunde körpereigene Zellen angreifen und vernichten, kommt es zu mitunter schweren Entzündungsreaktionen und Schädigungen von Organen und Geweben. Je nachdem, welcher Körperbereich von diesen zerstörerischen Prozessen betroffen ist, kommt es zum Ausbruch unterschiedlicher Autoimmunerkrankungen, die selten sogar zu lebensbedrohlichen Komplikationen führen können.
Nach heutigem Stand der Forschung existieren über achtzig verschiedene Krankheiten, die eindeutig als Autoimmunerkrankungen identifiziert wurden. Diese können sich in ihrer Ausprägung, im Krankheitsverlauf und dem Ausmaß der Beschwerden stark unterscheiden. Sie reichen von mit Ausschlägen oder Pigmentstörungen einhergehenden Hautkrankheiten über chronische Darmentzündungen wie Morbus Crohn bis hin zur schweren neurologischen Erkrankung der Multiplen Sklerose.
Mögliche Ursachen und Auslöser einer Autoimmunerkrankung
Wissenschaftler bemühen sich schon seit Jahrzehnten, die Ursachen von Autoimmunerkrankungen genau zu definieren, bis heute sind diese jedoch teilweise unbekannt. Vermutungen legen ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren nahe, das sich aus einer genetischen Disposition und verschiedenen äußeren und erworbenen Einflüssen zusammensetzt. Bestimmte bisher nicht erklärte Variationen der Gene erhöhen das Risiko eines Menschen, eine Autoimmunerkrankung zu entwickeln. Forscher fanden heraus, dass bis zu vierhundert verschiedene Genvarianten für die Entstehung von Autoimmunkrankheiten verantwortlich sein könnten. Die Mediziner definierten als auslösende Faktoren bestimmte Abschnitte des Erbgutes, die für die Aktivierung der Gene zuständig sind. Laut der Ergebnisse verschiedener Studien, die an Zwillingen durchgeführt wurden, tragen Menschen durch diese Veränderungen des Genoms ein um dreißig Prozent erhöhtes Risiko in sich, dass das Gewebe bestimmter Körperregionen im Laufe des Lebens durch Immunzellen zerstört wird. Ob eine Autoimmunerkrankung entsteht oder nicht, wird jedoch trotz der genetischen Disposition zu einem überwiegenden Teil durch äußere Faktoren bestimmt.
Als erworbene Umwelteinflüsse werden mehrere Aspekte diskutiert. Es liegt nahe, dass der Hormonspiegel und die Einnahme östrogenhaltiger Verhütungsmittel einen gewissen Einfluss darauf nehmen, denn Frauen leiden an solchen Erkrankungen häufiger als Männer. Falsche Ernährungsgewohnheiten und ein ungesunder Lebensstil gehen mit einem deutlich erhöhten Risiko einher, an bestimmten Autoimmunerkrankungen zu leiden. Vor allem starke Raucher entwickeln oft eine solche Krankheit, aber auch übermäßige Stressbelastung, Alkohol- und Drogenmissbrauch und die Einnahme bestimmter Arzneistoffe wie etwa von Medikamenten gegen Epilepsie erhöhen das Risiko. Schwangerschaften könnten ebenfalls zum Ausbruch einer solchen Krankheit führen, wenn es zwischen der Mutter und ihrem ungeborenen Kind zu einem Austausch von Zellen kommt, die im jeweils anderen Körper überleben und in späteren Lebensjahren eine fehlerhafte Immunreaktion bedingen. Es wird zudem ein gewisser Zusammenhang zwischen Impfungen und krankhaften autoimmunologischen Prozessen vermutet, der jedoch nicht wissenschaftlich bewiesen ist.
Unbestritten ist die Beteiligung bestimmter Bakterienstämme, die die Mundhöhle und den Darm besiedeln und dort Entzündungsreaktionen hervorrufen. Vor allem Menschen, die schon in jungen Jahren wiederholt unter Parodontitis leiden, sind einem deutlich erhöhten Risiko ausgesetzt, später rheumatoide Arthritis, eine chronisch entzündliche Darmerkrankung oder eine Schuppenflechte zu entwickeln. Vermutet wird, dass die in Mundhöhle und Verdauungstrakt veränderte Mikroflora bestimmte Immunzellen aktiviert und dadurch das Verhältnis von entzündungsfördernden und entzündungshemmenden Prozessen aus dem Gleichgewicht gerät.
Die häufigsten Autoimmunkrankheiten und deren Symptome
Die unzähligen Erkrankungen, denen eine Autoimmunreaktion zugrunde liegt, äußern sich je nach betroffenem Organ oder Körperbereich in unterschiedlichen Beschwerden. Als die häufigste Autoimmunerkrankung der Haut gilt die Psoriasis oder Schuppenflechte, die sich in unterschiedlich großen, flächigen und schuppenden Veränderungen der Hautoberfläche an Gliedmaßen und der Kopfhaut äußert. Auch der mit flächigen Rötungen einhergehende Lupus erythematodes, das blasenbildende bullöse Pemphigoid und die Pigmentstörung Vitiligo oder Weißfleckenkrankheit, die sich in unpigmentierten Flächen an verschiedenen Hautarealen äußert, sind weitverbreitete Autoimmunkrankheiten.
Die vor allem Frauen höheren Alters betreffende Hauterkrankung Lichen sclerosus geht meist mit einer weißen, porzellanartigen Verfärbung und Verhornung der Genitalien einher.
Fälschlicherweise als typisches Altersleiden wird die rheumatoide Arthritis angesehen, im Zuge derer es durch eine Zerstörung des Gewebes von Gelenken, Sehnen und Knorpeln zu Gelenkssteifigkeit, Schwellungen und den charakteristischen Verformungen der Fingergelenke kommt. Von dieser Erkrankung können jedoch auch Knie, Schultern, Zehen oder Hüften betroffen sein. Die starken Schmerzen bedingen eine zunehmende Beeinträchtigung des Bewegungsapparats und führen in vielen Fällen zu Behinderung oder Invalidität.
Morbus Crohn und die Lebensmittelunverträglichkeit Zöliakie sind die häufigsten Autoimmunkrankheiten im Bereich des Darms. Sie gehen mit Verdauungsbeschwerden wie chronischem Durchfall, Krämpfen oder Blähungen, aber auch mit Müdigkeit, allgemeinem Unwohlsein und Schwächezuständen einher. Ungewollter starker Gewichtsverlust oder eine Unterversorgung mit Nährstoffen, die sich durch die entzündungsbedingten Schädigungen der Darminnenwand ergeben, sind oft die Folgen dieser Krankheiten.
Im Fall von multipler Sklerose richten sich Immunzellen gegen das zentrale Nervensystem und zerstören die äußeren Schichten der Nervenfasern. Der Symptomkomplex dieser neurologischen Autoimmunerkrankung ist vielfältig und beinhaltet Muskelschwächen, Empfindungs- und Koordinationsstörungen, eingeschränktes Sehen, chronische Müdigkeit und sexuelle Dysfunktion ebenso wie Depressionen, Schmerzen oder Einschränkungen der geistigen Leistungsfähigkeit.
Behandlung und Vorbeugung
Da die genauen Auslöser bis heute nicht erforscht sind, existiert auch keine Möglichkeit einer ursächlichen Behandlung von Autoimmunkrankheiten. Die Therapie durch den jeweiligen Facharzt zielt daher in jedem Fall darauf ab, die Symptome zu lindern und den Verlauf der Erkrankung zu verlangsamen. Um eine weitere Zerstörung des befallenen Gewebes zu stoppen, kommen in der Regel Immunsuppressiva zum Einsatz, die die Aktivität des Immunsystems abdämpfen. Vor allem Cortison hat sich in diesem Zusammenhang erfolgreich bewährt, allerdings bedingt eine Medikation mit diesem Arzneistoff eine Reihe von Nebenwirkungen. Daher wurden in den letzten Jahren Medikamente wie Infliximab oder Natalizumab entwickelt, die ebenso wirksame, jedoch sanftere Alternativen zu Cortison darstellen. Im Falle der multiplen Sklerose führt die Einnahme von Beta-Interferon oder alternativ Glatirameracetat meist zu einer Verlangsamung des Krankheitsverlaufes und zu einer verminderten Frequenz der Krankheitsschübe.
Viele Ärzte empfehlen ihren Patienten auch eine glutenarme oder im Falle der Zöliakie glutenfreie Ernährung. Das in Getreide enthaltene Klebereiweiß Gluten ist nicht nur der auslösende Faktor der Autoimmunerkrankung Zöliakie, sondern wird auch mit vielen anderen fehlerhaften Reaktionen des Immunsystems in Zusammenhang gebracht.
Gezielte Maßnahmen zur Vorbeugung von Autoimmunkrankheiten gibt es ebenfalls kaum. Eine ausgewogene Ernährung und der bewusste Verzicht auf Zucker, Weißmehlprodukte, Fertiggerichte, Zigaretten und Alkohol sowie ausreichend Erholung und Ausgleich zum hektischen Alltag schaffen jedoch eine gesunde Basis, um den Körper vor Entzündungsherden zu schützen, die langfristig zu Fehlaktivierungen des Immunsystems führen könnten.