Sarkopenie – Ursachen, Folgen und Therapiemöglichkeiten
Der Begriff Sarkopenie bedeutet aus dem Griechischen übersetzt „Fleischmangel“ und bezeichnet eine degenerative Erkrankung, die mit fortschreitendem Muskelabbau im Alter einhergeht. In den westlichen Industrienationen sind in der Gruppe der 70-Jährigen geschätzte dreizehn Prozent, unter den 80-Jährigen sogar die Hälfte aller Menschen davon betroffen.
Die schleichende Abnahme von Muskelmasse wird durch ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren verursacht, die eng mit dem Lebensstil und der Ernährung sowie Veränderungen des Hormonhaushaltes zusammenhängen. Sarkopenie kann vielseitige Folgen nach sich ziehen und die Unabhängigkeit der Betroffenen erheblich einschränken. Mit gezielten therapeutischen Maßnahmen und einer konsequenten Umstellung der Ernährungsgewohnheiten kann der Muskelabbau im Alter jedoch deutlich verlangsamt oder sogar aufgehalten werden.
Folgen einer Sarkopenie
Grundsätzlich betrifft die Sarkopenie Menschen jeder Altersgruppe, da sich die Muskulatur ab dem 40. Lebensjahr kontinuierlich um etwa ein Prozent, ab einem Alter von 70 Jahren sogar um durchschnittlich drei Prozent pro Jahr verringert. Im Alter von achtzig Jahren ist in der Regel eine Abnahme von etwa vierzig Prozent der ursprünglichen Muskelmasse festzustellen. Dies wird durch einen altersbedingten Abbau von Proteinen in den Muskelfasern bedingt. Anstelle der zurückgehenden Muskeln bilden sich Fett- und Bindegewebe, die den Bewegungsapparat nicht stützen können.
Sarkopene Menschen leiden an einer schleichend nachlassenden Muskelkraft, die sich zunächst darin äußert, dass Treppensteigen, Einkäufe tragen oder langes Stehen zu einer großen Herausforderung werden. Wird die Krankheit nicht behandelt, führt sie im weiteren Verlauf dazu, dass die Betroffenen kleine alltägliche Tätigkeiten nicht oder nur mehr unter großen Schwierigkeiten verrichten können. Abhängig vom Stadium der Erkrankung kann es zu erheblichen Beeinträchtigungen der Bewegungsfähigkeit kommen, die viele Betroffene zu Pflegefällen machen. Ist beispielsweise die Armmuskulatur von dem Abbauprozess betroffen, kann sich der Patient nicht mehr selbst kämmen, Hausarbeiten verrichten oder Essen zubereiten. Kommt es zu Muskelabbau in den Beinen, fällt das Aufstehen aus dem Bett und das Gehen mitunter so schwer, dass Hilfe vonnöten ist.
Ältere Menschen, die unter einer fortschreitenden Abnahme von Muskelmasse leiden, sind generell wesentlich labiler und anfälliger für akute Infekte als ihre gesunden Altersgenossen. Da die Muskelkraft im Rahmen einer Sarkopenie rapide abnimmt, sind die Betroffenen auch einem drastisch erhöhten Risiko für Stürze und damit verbundenen Verletzungen ausgesetzt. Ein Großteil der Patienten entwickelt gleichzeitig eine Osteoporose, da das Wachstum der Knochen hauptsächlich von den Muskelbewegungen angeregt wird. Deshalb nimmt bei Sarkopenie-Patienten die Gefahr für mitunter lebensgefährliche Frakturen drastisch zu. Menschen, die unter starkem Muskelabbau im Alter leiden, benötigen nach einer Erkrankung eine fast doppelt so lange Regenerationszeit, da sie sich weniger bewegen können und oft nur schwer zu remobilisieren sind.
Ursachen für Muskelabbau im Alter
Dem Proteinabbau im Muskelgewebe können unterschiedliche Ursachen zugrunde liegen. Meist wird eine Sarkopenie durch ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren ausgelöst. Da im Alter Entzündungsprozesse zunehmen, kommt es zur vermehrten Bildung von bestimmten Eiweißen, den sogenannten Zytokinen, die sich unter bestimmten Voraussetzungen negativ auf das Zellwachstum auswirken und den Abbau der Muskelmasse beschleunigen.
Eine einseitige Ernährung und ungesunde Lebensgewohnheiten wie Rauchen oder übermäßiger Alkoholkonsum führen zu Nährstoffmangel, der sich unter anderem auch durch ein eingeschränktes Zellwachstum im Bewegungsapparat äußert. Bewegungsmangel und Übergewicht führen dazu, dass anabole, also muskelaufbauende Prozesse gehemmt werden. Die altersbedingte Abnahme von Hormonen wie Östrogen oder Testosteron begünstigt ebenfalls die Entstehung einer Sarkopenie.
Maßnahmen zum Erhalt der Muskelmasse
Die Therapie des Muskelabbaus im Alter zielt darauf ab, die Ursachen zu behandeln, um ein Fortschreiten der Erkrankung und dadurch die Pflegebedürftigkeit zu verhindern. Ein wichtiger Aspekt in der Therapie einer Sarkopenie ist die Umstellung zugunsten einer proteinreichen Ernährung. Mit fortschreitendem Lebensalter nimmt das Hungergefühl oft deutlich ab, wodurch es zu Mangelernährung kommt. Einsamkeit und Altersdepressionen, Demenzerkrankungen und Nebenwirkungen vieler Arzneistoffe führen dazu, dass ältere Menschen zu wenig Nahrung zu sich nehmen, obwohl sie im Vergleich zu jungen Erwachsenen eine um fast dreißig Prozent erhöhte tägliche Zufuhr an Eiweiß benötigen.
Im Rahmen einer Therapie müssen das Essverhalten des Patienten verbessert und deutlich mehr tierische und pflanzliche Proteine in den Speiseplan integriert werden. Gute Eiweißlieferanten sind neben Produkten aus Vollfettmilch auch rotes Fleisch, Hühnerfilet, Eier sowie Seefisch, idealerweise in seiner rohen Form. Nüsse, Hülsenfrüchte und Naturreis enthalten hohe Konzentrationen von pflanzlichem Eiweiß und sollten ebenfalls regelmäßig auf dem Speiseplan stehen. Zusätzlich hat sich die Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln mit essentiellen Aminosäuren erfolgreich bewährt. Vor allem Leucin ist maßgeblich am Energiestoffwechsel in den Muskelfasern beteiligt und kann bei regelmäßiger Zufuhr den Muskelabbau im Alter deutlich verringern.
An der Bildung von Muskelmasse ist auch die Wechselwirkung von Vitamin D und Kalzium maßgeblich beteiligt. Sarkopenie-Patienten halten sich, bedingt durch die eingeschränkte Bewegungsfähigkeit, deutlich seltener im Freien auf. Der Organismus benötigt jedoch UV-Strahlung, um das Sonnenvitamin D bilden zu können. Mit zunehmendem Alter nimmt zudem die Fähigkeit des Körpers, Vitamin D über die Haut zu synthetisieren, stark ab. Da Vitamin D nicht in ausreichenden Mengen über die tägliche Ernährung aufgenommen wird, kann nur eine gezielte Supplementation einem Vitamin-D-Mangel entgegenwirken.
Darüber hinaus ist regelmäßige körperliche Betätigung eine Grundvoraussetzung für den Erhalt der Muskelmasse. Die Muskelfasern benötigen nämlich deutliche Anreize durch die Bewegung der Knochen, um sich zu entwickeln, denn Muskulatur und Skelett stehen in enger Wechselwirkung zueinander. Ein regelmäßiges, durch einen Therapeuten betreutes und individuell auf den Patienten abgestimmtes Kraft- und Ausdauertraining wirkt deshalb nicht nur dem Muskelabbau im Alter, sondern auch einer Osteoporose entgegen. Bei Patienten, die sich krankheitsbedingt nur eingeschränkt oder gar nicht bewegen können, hat sich der Einsatz funktioneller Elektrostimulation erfolgreich bewährt, um das Wachstum des Muskelgewebes anzuregen.