Die Begriffe „Aggression“ und „aggressiv“ werden von den meisten Menschen mit aufbrausenden, feindseligen und oft beängstigenden Verhaltensmustern in Verbindung gebracht, die sich offensichtlich gegen bestimmte oder auch unbestimmte Zielpersonen richten. Der Mensch, der die Aggression zeigt, ist leicht reizbar und kann seine negativen Gefühle auf verbale oder körperliche Art deutlich machen.
Nicht immer ist Aggression im Rahmen zwischenmenschlicher Interaktionen als aktives Verhalten definiert. Viele Menschen zeigen negative Gefühle auch in passiver Form, indem sie eine grundsätzlich negativistische Haltung an den Tag legen. In der Psychologie werden die Verhaltensmuster, die dadurch entstehen, unter dem Begriff „passive Aggression“ zusammengefasst.
Die passive Aggression richtet sich nicht nur gegen Mitmenschen, sondern oft auch gegen das eigene Ich, was das Alltagsleben der Betroffenen und der Menschen in ihrem sozialen sowie beruflichen Umfeld erheblich erschwert.
Mögliche Ursachen für passive Aggression
Charaktereigenschaften, wie sie bei Menschen mit passiver Aggression häufig sind, kennt man von Kindern in der Trotzphase oder Jugendlichen, die in der Pubertät vorübergehend allem gegenüber negativ begegnen oder ein grundsätzlich oppositionelles Verhalten an den Tag legen. Im Zuge der normalen Entwicklung treten solche Züge mit zunehmendem Alter allmählich in den Hintergrund oder verschwinden völlig.
Bei Menschen, die unter passiver Aggression leiden, sind widerwillige Verhaltensmuster Teil ihres Charakters. Die genauen Ursachen für diese Persönlichkeitsstörung sind bis heute nicht gänzlich erforscht, vermutet wird jedoch ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren. Dafür kommen sowohl biologische Ursachen als auch Lebensumstände und -erfahrungen sowie psychologische Einflüsse infrage.
Studien zufolge zeigen in der westlichen Welt bis zu fünf Prozent aller Menschen passiv-aggressive Charakterzüge. Wissenschaftler vermuten, dass die Betroffenen in zwischenmenschlichen Beziehungen oder im beruflichen Umfeld Frustration, Ärger oder andere negative Gefühle erfahren, die sie nicht ausdrücken können. Statt Probleme offen – also aktiv – zu thematisieren, treten sie ihren Mitmenschen mit einem widerwilligen, unterschwellig feindseligen Verhalten entgegen. Diese Art, mit Problemen umzugehen, führt nicht zur Lösung einer Situation, sondern verursacht weitere, oft wesentlich tiefergreifende Konflikte im privaten und beruflichen Alltag.
Verhaltensmuster der passiv-aggressiven Persönlichkeitsstörung
Menschen, die ihren Unmut auf passive Weise verarbeiten und zeigen, entwickeln eine Reihe von negativistischen Eigenschaften, die mit einer grundsätzlich feindseligen Einstellung zusammenhängen. Passive Aggression ist auf der fälschlichen oder illusorischen Annahme begründet, dass es der eigenen Person schlechter ergeht als allen anderen. Ein wichtiges Grundmerkmal der passiven Aggression ist daher das Selbstmitleid, aus dem sich Missgunst und Neid entwickeln.
Menschen, die unter der passiv-aggressiven Persönlichkeitsstörung leiden, begegnen jedem, der glücklich zu sein scheint und das Leben genießt, mit Groll und Ablehnung. Gleichzeitig fühlen sie sich von all ihren Mitmenschen, ob auf privater oder beruflicher Ebene, grundsätzlich missachtet beziehungsweise missverstanden, legen jedoch anderen gegenüber ein abwertendes, bisweilen sogar respektloses Verhalten an den Tag.
Unangebrachte oder unbegründete Kritik und die Weigerung, Pflichten und Aufgaben nachzukommen, Autoritätspersonen als solche wahrzunehmen sowie Loyalität in Beziehungen zu zeigen, sind typische Charaktereigenschaften, die auf passive Aggression hindeuten. Da die Betroffenen viele von ihnen erwartete Leistungen nicht erbringen wollen, sind sie früher oder später mit Problemen im Berufsleben konfrontiert oder verlieren ihren Arbeitsplatz.
Da sie sich auch weigern, inspirierende oder erbauliche Tätigkeiten in ihrer Freizeit durchzuführen, kommt den Betroffenen – und ihren Familienmitgliedern und Freunden – allmählich die Lebensfreude abhanden. Dies bringt einen Teufelskreis in Gang, der nur mit intensiver psychologischer Betreuung und gegebenenfalls einer psychiatrischen Behandlung durchbrochen werden kann.